In vielen Weihnachtsgottesdiensten und Krippenfeiern stellen Kinder oft eindrucksvoll die Herbergssuche dar. Die hochschwangere Maria und Josef klopfen an verschiedene Türen: Niemand hat eine Unterkunft für das junge Paar. Und die Zeit drängt. Maria steht unmittelbar vor der Geburt. Schließlich ist ein Stall für Tiere die einzige Bleibe, die letzte Zuflucht. Hier wird das Kind geboren, das wir bis heute als "Christkind", als "Retter", als "Heiland", als "Erlöser" besingen und bekennen.
So zu Herzen gehend uns die Herbergssuche in vielen Krippenspielen nahegebracht wird: Die Realität, wie das Lukasevangelium sie beschreibt, ist noch drastischer. Denn nach dem biblischen Text gibt es nicht mehrere Herbergen zur Auswahl - dafür war Betlehem zur Zeit Jesu zu unbedeutend und klein. Zwar ist es die Stadt des Königs Davids, wo er geboren und aufgewachsen ist. Jedoch geriet Betlehem so sehr in Vergessenheit, dass Herodes bei der Frage der Weisen aus dem Morgenland "Wo ist der neugeborene König der Juden?" erst die Schriftgelehrten fragen musste. Diese fanden zwar die Antwort, hielten es aber nicht für nötig, selbst dorthin aufzubrechen.
Da ist nur eine einzige Herberge in Betlehem! Das bedeutet: Es kommt genau auf DIESEN Herbergswirt an! Er kann eben nicht einfach sagen: "Die finden schon anderswo noch ein Bett." Oder "Die kommen schon irgendwie unter." Kennen wir ein solches Denken? Warum ausgerechnet wir? Es gibt doch genug andere. Sollen die schon mal... Wir können doch nicht alle... - Spüren Sie die Brisanz der Weihnachtsgeschichte?
Wir können und dürfen uns nicht hinter anderen verstecken nach dem Motto: "Die anderen machen doch auch (nicht)..." Gott fragt nicht, was "die anderen" tun. Er fragt mich! Uns! Jeden ganz persönlich: Bist Du da, wenn es drauf ankommt? Wenn bei Dir jemand anklopft? Willst Du Herberge sein für mich? Hat Jesus einen Platz bei Dir? In Deinem Leben? Kann er bei Dir zur Welt kommen? Oder ist er Dir gleichgültig? Stört vielleicht sogar seine Botschaft? Weil sie nicht unverbindlich und belanglos ist, sondern mich herausfordert.
Das Faszinierende an Weihnachten ist die Unscheinbarkeit, mit der Gott in die Welt kommt. In einem jungen Paar. In einem Kind, das erst noch geboren wird. Klein und bedürftig, auf Zuwendung und Hilfe angewiesen. Was bedeutet das in unserer Gegenwart? Lassen wir uns herausfordern, Gott im Alltag zu entdecken? In denen, die an die Türe unseres Lebens anklopfen? Bedürftig nach Angenommensein, nach einem liebevollen Herz, das nicht abweist, sondern mitfühlt?
Wir wünschen Ihnen von Herzen die Freude der Weihnachtsnacht, weil Gott für UNS gekommen ist, und weil das neugeborene Kind Türen öffnet, Herzen wärmt, Licht verbreitet.
Möge uns dieses Licht auch in den Ungewissheiten der letzten Tage dieses Jahres 2021 und im neuen Jahr 2022 leuchten.
Kreisdechant Christoph Bersch
Superintendent Michael Braun
www.ekagger.de | jth | Foto: Kirchenkreis An der Agger